Es mag wie ein Klischee klingen, begegnet uns bei unserer täglichen Arbeit in Coachings und Workshops zu Studien- und Berufswahl aber immer wieder: Eltern, die die Karriereplanung für ihre Kinder eigentlich schon abgeschlossen haben. Da gibt es den Anwaltspapa, der sich ganz sicher ist, dass die Tochter nach dem Abitur auf jeden Fall Jura studieren muss oder die Ärztin, die ihrem Sohn strikt von der Medizin abrät, obwohl der gern in ihre Fußstapfen treten würde. Gern wird eine gewisse Erwartungshaltung an das eigene Kind dabei grundsätzlich verneint: „ Die soll einfach nur glücklich werden, alles andere ist mir egal – aber von einem Lehrergehalt oder als Künstlerin kann sie ja nun mal nicht leben. Da wäre Jura doch naheliegend!“ Selbst ohne solche Sätze wissen die meisten jungen Erwachsenen ziemlich genau, ob und welche Erwartungen ihre Eltern insgeheim an sie haben – und wollen diesen entweder ganz gern entsprechen oder schließen diese Optionen schon prinzipiell für sich aus – weil sie sich eben nicht beeinflussen lassen wollen. Was ja dann auch wieder eine Art Beeinflussung ist. (Das ist übrigens auch der Grund, warum wir Eltern weder bei den Coachings noch bei den Workshops als Begleitung zulassen.)
In einem unserer letzten Workshops hatten wir einen Fall, der unserem Team in besonderer Erinnerung geblieben ist – einfach, weil er uns fast an unserer Grenzen gebracht hätte. (Und da muss schon einiges passieren!). Melissa (Name geändert) kam kurz vor ihren Abiturprüfungen in unseren Workshop. In der ersten Vorstellungsrunde erzählte sie uns, dass sie zwischen einem Medizinstudium und einem Jurastudium schwankt. Eine kurze Nachfrage bestätigte unseren leisen Verdacht: Ja, Papa ist Anwalt, die Mutter ist Ärztin. Seit mehr als einem Jahr schon hing der Haussegen wegen der Frage der Studienwahl in Melissas Familie dermaßen schief, dass der Vater zwischenzeitlich eine eigene Wohnung gemietet hatte. Fast jeden Abend ging es am Abendbrottisch nur noch darum, wer sich schließlich durchsetzen könnte: Die Medizinerin oder der Anwalt. Ein wahnsinniges Gezerre. Und in der Mitte Melissa – die schlecht schlief und es beiden irgendwie recht machen wollte. Wir haben im Workshop auch Melissa die gleichen Fragen gestellt und sie durch die gleichen Übungen geführt, die jeden Teilnehmer dort erwarten.. und es war schwierig. Mehr und mehr kristallisierte sich heraus, dass Melissa ein ausgesprochen kommunikativer und optischer Mensch ist, der vor allem dann glücklich ist, wenn er schöne Dinge mit Botschaft gestalten darf. Dazu kam: Das will Melissa am liebsten in Ruhe machen. Kontakt mit andere Menschen braucht sie nicht unbedingt und wenn, dann nur wenig und mit ihr vertrauten Personen. Ihr perfekter Tag entsprach diesem Bild völlig: Als freiberufliche Grafikdesignerin in einem kleinen Haus im Wald nach ihrem eigenen Rhythmus arbeiten und gestalten. Viele Tiere. Kein Luxus. Melissa blühte bei diesen Übungen sichtbar auf und glühte fast vor Begeisterung, als ihr klar wurde, dass sie nicht zwangsweise als Ärztin oder Juristin enden muss. Und doch: Nach jeder Übung und je klarer das Bild wurde, desto mehr sank sie zwischen den einzelnen Workshopteilen zusammen. Kurzum: Am Ende wollte sie doch unbedingt eigentlich Arzt oder Juristin werden. Ob man das nicht mit ihren Wünschen kombinieren könne? „Nein. Doch, kann man. Aber das willst Du doch eigentlich nicht.“ Und nach langem Ringen, dem Durchspielen vieler Alternativmodelle mit teilweise sehr abwegigen Kombinationen hatten wir endlich die Lösung: Ein Probesemester an einer Kunsthochschule (die Mappe war schon vorhanden!) und dann eine Entscheidung. Die Eltern wurden an den Tisch geholt und billigten diese Lösung zähneknirschend. Melissa strahlte.
Und heute? Melissa hat nach Drängen ihres Vaters doch erst einmal ein Jurastudium aufgenommen, nach zwei Semestern aber aufgegeben und sich bei der UdK beworben. Sie ist dort nun im ersten Semester und so begeistert, dass sie bei unserem letzten Treffen darauf bestand, ihre Geschichte in unserem Blog erzählen zu lassen. Ihre Eltern sind übrigens mittlerweile wieder glücklich vereint und schütteln beide den Kopf über Melissas Entscheidung, unterstützen sie aber mit allen Mitteln.
Liebst, Franka von eurem Personal Identity Team
P.S.: Sie sind Eltern und unsicher, wie Sie den Prozess der Berufs- und Studienwahl richtig begleiten können? Kontaktieren Sie uns einfach oder besuchen Sie uns bei einem unserer Messeauftritte.